Gewaltprävention


"Opfer zu sein hat noch niemanden daran gehindert, selbst Täter zu werden."

Der Begriff der Gewaltprävention ist ein recht abgenutzter Begriff, den man alles mögliche zugeschreibt und den man in alle möglichen Handlungen eingepresst hat.
Vieles davon ist bei näherer Betrachtung gar keine GEWALT PRÄVENTION. Das beginnt schon bei der Verwendung der vier Hauptbegriffe, denen man pauschal das Attribut der Gewalt andichtet: Aggressivität, Kampf, Konflikt und Gewalt. Sie werden alle durcheinandergewürfelt und müssen als Synonyme für Gewalt herhalten.

Ich habe nicht ohne Absicht diese vier Begriffe etwas genauer in meinem neuen Buch: Die Fratze der Gewalt erörtert und werde daher auf dieser Webseite nicht genauer darauf eingehen.
Nur kurz:

A g g r e s s i v i t ä t meint nicht nur ein aufbrausendes, zur Gewalt neigendes Verhalten sondern auch eine Verhaltensdynamik, die zur Steigerung von Lebensqualität beiträgt. Wer voranschreiten will, der muss sein Aggressionspotenzial zu lenken verstehen. Aggressivität ist so verstanden der Motor für Motivation ganz allgemein. Es wäre also ganz gut, kämen die professionelen Trainer und Therapeuten endlich auch zu dem Schluß, dass Aggressivität positiv, also auch von Nutzen ist. Das Wort Antiaggressivität ist irreführend und verhindert von vornherein einen natürlichen Umgang mit der eigenen Aggressivität, dem Motor zur Motivation, etwas zum eigenen Leben sinnvolles oder sinnstiftendes zu tun, dass einer Erhöhung von Lebensqualität dient.
Der Begriff der Aggressivität, den wir aus dem lateinischen aggredior, aggredi, aggredere, ad-gredere ubernommen haben, meinte *ein über sich hinauswachsen, etwas neues ergreifen, sich etwas annähern, auf etwas zugehen*. In diesem ursprünglichen Sinne steckt in dem Begriff der Aggressivität das Konzept der Motivation als ein natürliches Prinzip des Lebens selbst.
Die Frage, wie Aggressivität in gewalttätiges Verhalten transformiert wird, habe ich sehr ausführlich in meinem Buch: Die Fratze der Gewalt dargelegt.

Der K a m p f ist ein Mittler, eine Konstruktion, der Ring, um Gewalt übertragen zu können. Kampf ist die Gestaltwerdung der Gewaltabsichten als eine Rechtfertigungsstrategie getarnt, um Ressourcen oder Lebensqualität abzuschöpfen. Ressourcen in diesem Sinne können Hierarchien sein, Orte der Machtausübung, Verhaltensdominaz für mehr Sicherheit u.s.w.

K o n f l i k t e sind Strategien der Verdrändung. Sie können recht komplexe Ursachen haben, sich zu Konfliktkollaterale ausweiten und sie werden oft auch konzeptual für das Erreichen unterschiedlichster Eigeninteressen eingesetzt und sogar dafür zielgerichtet optimiert. Der am häufigsten missbrauchte Konflikt ist der Loyalitätskonflikt, weil er die Konformität des Konfliktsenders mit dem Konfliktempfänger (und den Zaungästen) erzwingt. Konflikte im Sinne der Gewaltausübung bedingen immer einen Urkonflikt, um den herum im Leben von Tätern weitere Konflikte entstehen, die wie ein Schutzschild den Konfliktmotor (Urkonflikt) anheizen und ihn zur Gestalt werden lassen. Konflikte erzeugen ein Spektakel an dem der Täter, wie ein Zauberer, die Aufmerksamkeit der Zuschauer um den Finger wickelt. Wie beim Zauberer so ist es auch beim Täter: Um herauszufinden wie das Verbergen des Tricks geht, schaue man dorthin wohin die Aufmerksamkeit nicht gelenkt wird.

G e w a l tanwendung ist, grob gesagt das Verwalten von Machtinteressen im Sinne einer Ressourcenoptimierung. Gewalt ist im psychologischen Sinn eine maladaptive Bewältigungsstrategie. Maladaptive Bewältigungsstrategien sind Verdrängungsstrategien, die den Zweck haben, den wirklichen inneren Konflikt des Konfliktverursachers zu übertünchen, damit der intrinsische Konflikt aufhört, fühlbar zu werden. Wird er immer intensiver fühlbar, so drängt er somit nach Handlungen zur Lösung des Problems. Da aber keinerlei Bewältigungskompetenzen zur Lösbarkeit des inneren Urkonflikts erlernt wurden, wird das Problem maladaptiv gelöst - mittels des Faustkeil-Prinzips: somit wird dann der Kampf als Rechtfertigung aufgestellt und Gewalt mittels zerstörerischer Aggressivität ausgelebt.

Menschen die ihre Konflikte lösen können, brauchen den Kampf nicht! Siehe Resilienz und Coping-Coaching auf dieser Website.

Gewaltprävention meint jedoch, dass vorbeugende Maßnahmen erreicht werden sollen, damit Gewalt nicht zur Entfaltung kommt: Gewaltprophylaxe.
Deeskalation ist eine Maßnahme zur Linderung oder völligen Einschränkung ausbrechender und stattfindender Gewalt: Zweikampfhinderung.
Antigewalt-Maßnahmen sind Maßnahmen am Täter - im Täter und damit eine Verhaltenstherapie gegen Gewalt im Kopf des Täters: Verhaltenssucht Gewalt.

Nimmt man den Begriff der Gewaltprävention ernst, so kommt man nicht umhin, die psychologischen Praxismethoden mit denen der Soziologie zu verschmelzen. Wir landen dann bei den Integrations- und Desintegrationsprozessen von Gesellschaften und stellen uns die Frage nach den Möglichkeiten, wie sie jeweils die Vorlieben der Mitglieder zum Erreichen von Lebensqualität definieren. Ein wahrhaft schwieriges Unterfangen!

Es geht also immer darum, das Aggressionspotenzial der Gesellschaft zu lenken und es so gering wie möglich zu halten. Dazu muss man berücksichtigen, was den Menschen in seinem Streben und Erfüllen von Lebenssinn antreibt. Wird dies über das jeweilige politische System nicht erreicht, so kanalisiert sich das Aggressionspotenzial in zerstörerische Aggressionen und damit in Gewaltverhalten: Motivationales Gewaltmanagement. In Kriegen ein bewusst lenkbares und willkommens Kalkül.

Gewaltprävention in Schulen, Heimen oder anderen sozialen Einrichtungen zu stabilisieren bedeutet, zu erkennen, wie Gewalt den Menschen formt. Derzeit sind viele davon überzeugt, dass man Gewaltprävention gegen Gewalt anwenden soll. Das aber ist ein Irrtum, der dazu führt, dass so verstandene Gewaltprävention gar nicht wirkt. Gewaltprävention ist ein logistisches Werkzeug und sie kann gar nicht unmittelbar am Menschen wirken.

Das Hauptaugenmerk in der Gewaltneigung eines Menschen muss auf seinen ihn antreibenden inneren Ur-Konflikt und seine sich stabilisierenden Konflikt-Kollaterale gerichtet werden. Diese Konflikt-Kollaterale wirken wie eine feste Burg, in der sich der Ur-Konflikt weiter (zerebral) schadhaft ausbreitet, verfestigt und damit die Wirkung und Nachhaltigkeit der Therapie zu vermeiden versteht. Es ist das alte Problem von Ursache und Wirkung, von Symptombehandlung und Ursachenerforschung.

Angewendete Gewaltprävention ist auf Multiplikatoren angewiesen die um die tiefenpsychologische Wirkmächtigkeit der Gewaltaffinität gut bescheid wissen. In der Gewaltprävention finden wir zu viel Pädagogisierung der Problemlage und zu wenig entwicklungspsychologischen Rat. Solange das Gewaltproblem über die Methoden der Pädagogik erklärt wird, wird es nicht gelöst werden können; weil es kein pädagogisches Problem ist!

Herzlichst,
Ihr Rüdiger Lenz

 

Gewalt als psychofraktales Störungsbild

Rüdiger Lenz, D-31863 Coppenbrügge, Schwefelborn 20, Tel.: 05159 - 9695315